Bekehrt euch zum Heidentum!

Keiner wird bestreiten, dass zum Wichtigsten in der Religion die Bereitschaft gehört, sich zu bekehren. Man braucht das nicht so häufig zu tun wie Henri Quatre, König Heinrich IV von Frankreich, der sich alle zwei, drei Jahre feierlich bekehrt hat. „Abjuration“ nannte man das damals. Das eine Mal hat er dem blinden Papsttum abgeschworen, das andere Mal dem reinen Evangelium aus Genf. Segen hat es ihm nicht gebracht. Insgesamt achtzehn Attentate sind gegen Henri Quatre verübt worden. Und alle Attentäter waren sich darin einig, dass der König sich nicht richtig, auf jeden Fall nicht auf die richtige Art bekehrt hatte.

Ich bin so steinalt, dass ich die bisher letzte Welle der Bekehrung in der katholischen Kirche noch persönlich erlebt habe. Ein belgischer Chorherr war es, der in die Konzilsdebatten das Schlagwort geworfen hat von der „conversion au monde“. „Bekehrung zur Welt“. Alle haben wir mit einem Mal daran geglaubt. Das ist jetzt aber longlong ago, long ago. Nach gut achtzig Jahren ist es hohe Zeit für eine ganz neue Welle der Bekehrung.

Diese Erleuchtung verdanke ich dem Kölner „Domradio“. Auf seiner Internetseite hat es dieser Tage ein dramatisches Interview mit Marco Politi geführt. Der grosse Vatikan-Experte beschreibt eine derartige Vergiftung der Stimmung unter Katholiken, ein derartiges Anwachsen der innerkirchlichen Feindschaft, dass es nicht übertrieben sei, von einem veritablen „Bürgerkrieg“ zu sprechen. Dabei kann so ein Italiener doch – germanicum est, non legitur - kaum etwas wissen von dem Gift und der Galle, mit der auf dem Synodalen Weg der Deutschen die modernistische Mehrheit und die traditionalistische Sperrminderheit sich gegenseitig bespucken. Woher die zutiefst unchristliche Feindschaft unter Schwestern und Brüdern?

Das schönste an einer Bekehrung ist die Erfrischung der Seele. Achtzig Jahre nach der letzten Bekehrung sind die katholischen Seelen, die linken wie die rechten, ganz vergrämt, vertrocknet, verkalkt, versauert  und vergiftet. Was wir alle brauchen, ist eine neue Bekehrung. Aber nicht  die Bekehrung, zu welcher der Prophet Jeremias aufgerufen hat: „Jerusalem, Jerusalem, bekehre dich zum Herrn, deinem Gott!“

Dem Propheten Jeremias zu widersprechen, fällt schwer. Was uns not  tut, ist aber nicht die Bekehrung zum biblischen Gott, sondern zum Gegenteil: zum antiken Heidentum.

Ob links, ob rechts, der ganze Katholizismus ist jener unheilbaren Rechthaberei verfallen, die immer droht, wenn eine Bekehrung zu lange her ist. Keiner glaubt mehr, jeder weiss, was er weiss, und weiss es längst auswendig. Kein jüdischer Prophet lehrt uns die Bekehrung von dieser rechthaberischen Verkalkung des Glaubens. Das Wort, das unsere Seelen, die modernistischen und die traditionalistischen, alle auf einen Schlag heilen könnte, stammt vom grössten aller Heiden: „Ich weiss, dass ich nichts weiss“, hat Sokrates gesagt.

In Wirklichkeit nämlich weiss keiner von uns, wie es weitergehen soll mit der katholischen Kirche. Ich jedenfalls bekenne, dass ich keine Ahnung habe, wie wir aus dem katholischen Debakel herauskommen. Ist Nichtwissen eine Schande? Nein, Nichtwissen ist Weisheit. Nicht Weisheit der Juden, nicht Weisheit der Christen, sondern Weisheit der Heiden.

Bekehrt euch zum Heidentum! Bekehrt euch zur Weisheit der Heiden: „Ich weiss, dass ich nichts weiss.“